der Wunsch an sich
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Das Sie mich gefunden hatten, grenzte fast schon an ein Wunder, aber dass sie mich auch zum Klassentreffen einluden, fand ich super toll. Denn wenn ich mich recht erinnere, war ich nur bedingt beliebt. Aber ich hatte eine beste Freundin, und nur die zu sehen, wäre mir schon jede Reise wert gewesen. Und dennoch am Freitag war ich schon ziemlich hibbelig. Oder aufgeregt oder ich konnte es jedenfalls nicht abwarten, das es nach Berlin ging und ich sie alle wieder sah – bis auf eine, die hatte man nicht gefunden. Mit einer unwesentlichen Verzögerung kam ich in der Restauration an. Man weiß ja je später der Abend desto schöner… ich war aber nicht die Letzte. Nun als Französischklasse dominierten wir Weiber über unsere drei Jungs und unseren Künstler – den unsere Sportlehrerin gleich den Mädchen zugeteilt hatte.
Und auch jetzt war erst einer an der Front erschienen. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, vor allem, wenn man sich jeglichem Kontakt verweigert oder davon abgehalten wird.
Ok im ersten, und leider ist das ja der entscheidende Moment konnte ich mich nicht nur nicht an die Gesichter, sondern auch an die dazugehörigen Namen erinnern – außer bei meiner –damals- besten Freundin. Und ausgerechnet eine, die ich schon damals ziemlich zickig fand meinte- mit schlecht verhohlener Erwartung in der Stimme-: „Na an mich wirst du dich doch wohl erinnern“ –eher nicht, und noch bevor es zu Handgreiflichkeiten kommen konnte, verzog ich mich an die andere Seite des Tisches, landete hier jedoch neben jemanden, den ich nicht mal nach Nennung des Namens einordnen konnte. Später fiel es mir wieder ein, sie war schon damals unzertrennlich mit der, die nicht gefunden werden wollte und ansonsten ziemlich still und zurück haltend. Aber wir kamen in ein sehr nettes Gespräch. So langsam trudelten unsere weiteren zwei Herren ein und unsere Klassenschönste. Ok schön war sie immer noch – vermutlich sogar die Schönste und Frau Doktor war sie auch, aber ihre strengen, durch kein Gramm Fett belasteten Gesichtszüge, ließen auf ein diszipliniertes, durchorganisiertes, gutsituiertes, bürgerliches und ein wenig freudloses Leben schließen. Ich persönlich mag es ein Wenig weniger gesundheitsorientiert, denn wer will schon ein unendliches, aber spaßfreies Leben.
Entzückt war ich von unserer Grundschullehrerin, die in Ihren Proportionen allseitig aber wirklich gut verteilt gewachsen war und den Spaß am Leben nicht verloren hatte. An diesem Abend verbreitete sie -natürlich ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen- Frohsinn, Witz und Lebensweisheiten.
Meine Zickige war – und nichts wäre angemessener – Finanzbeamtin. Ok. - zwei, drei andere Berufe wären mir noch eingefallen, aber der zuerst angestrebte Lehrerberuf war wohl nicht scharf genug gewesen und so wechselte man kurz entschlossen die Laufbahn.
Ansonsten war die Pädagogik vehement vertreten und ließ es sich auch nicht nehmen strenge Erziehungsregeln an ehemaligen Mitschülern auszuprobieren.
Hinzu gesellten sich Rechtspfleger Vormundschaftspleger (also einer) Selbständige (einer) Webdesigner (eine) Graphiker (eine) und voll interessant eine BfA-Beamtin – die nahm ich sogleich zwecks Kontenklärung in Beschlag. Trotz meines Briefverkehrs mit besagter Anstalt haben die mir immer noch nicht abgenommen, dass ich mein Hochschulstudium abgeschlossen hatte und ich warte sehnlichst auf Antwort. Nun könnte man meinen, dass ich bis zur Rente noch ein wenig Zeit habe, aber man kann ja nie wissen mit welch merkwürdigen Formalien ein hart arbeitender und steuer- krankenversicherungs- arbeitslosenversicherungs- plegeversicherungs- solidaritätsbeitrags- -ich hoffe, ich habe nichts vergessen- zahlender Angestellter um seine, wahrscheinlich erst mit dem siebzigsten Jahr zustehende Rente – gebracht werden kann, wenn er nicht alle Stempel und Unterschriften rechtzeitig vorlegt.
Einer unserer Herren war nicht da – und er würde auch nicht kommen, denn er wurde zwei Monate zuvor in seiner Wohnung unter etwas mysteriösen Umständen tot aufgefunden. Als Künstler führt man nicht nur ein völlig anderes, sondern auch ein recht kurzes Leben. Leider konnten wir nur Vermutungen über die wahren Begebenheiten anstellen, die zugegeben vom vielen Krimilesen beeinflusst, sehr wagemutig klangen. Auch wenn unser Mitgefühl nicht den gesamten Abend beeinflusste, so kannst du dir doch sicher sein, dass jeder sich an dich erinnerte und du für jeden präsent warst.
Die Zeit lief Weltrekord und nur mit ein wenig Glück konnte ich jemanden aus meiner Schlafstatt noch ans Telefon bringen, der ( in diesem Fall die) bereit war, zu so fortgeschrittener Stunde mir die Tür zu öffnen, so dass ich nicht gezwungen war, das angebotene Sofa eines unserer Männer in Anspruch zu nehmen, was sicherlich eine halbjährlich andauernde Diskussion mit seiner Angetrauten zur Folge gehabt hätte. Und so sprang ich in das eilends herbeigerufene Taxi voll von Eindrücken und Geschichten und mit dem Wissen, das ich es gar nicht so falsch gemacht haben kann und wahrscheinlich im Gegensatz zu einigen mir noch eine Menge Spaß vorbehalten habe………..
angel of death meinte am 12. Nov, 21:46:
sehr schön...
...geschrieben und so voller Demut :-)
Aber für mich bist und bleibst du immer die Größte. Niemand aus der Klasse hätte deinen Lebensweg so gut gemeistert. 
scheues Reh antwortete am 13. Nov, 19:15:
Jetzt
werd ich aber doch ein bißchen rot... 
angel of death meinte am 13. Nov, 22:25:
Aber
sei doch lieber ein bisschen stolz auf dich, obwohl dir rot natürlich ganz ausgezeichnet steht :-) 
 

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